Karl Weierstraß wurde am 31. Oktober 1815 in Ostenfelde (Westfalen) als Sohn
eines Verwaltungsbeamten geboren. Seine Mutter starb sehr jung und die Familie
lebte in eher ärmlichen Verhältnissen, doch war seinem Vater die Wichtigkeit einer
guten Ausbildung wohl bewußt. Als überaus begabter Schüler studierte er von 1834 bis 1838
Kameralistik in Bonn, was ihm jedoch wenig Befriedigung bereitete, da seine große Leidenschaft
bereits der Mathematik gehörte. Der Abbruch des Studiums war natürlich ein finanzielles
Fiasko für die Familie, aus dem man mit der Notlösung eines Akademiestudiums der
Mathematik (entspricht dem heutigen Lehramtsstudium) noch das beste zu machen suchte.
Schon während seines ersten Studiums beschäftigte sich Weierstraß intensiv mit den Werken von
Jacobi über elliptische Funktionen, die ihn anfangs überforderten und die er mithilfe einer
Vorlesungsmitschrift von Gudermann, der der zweite war, der nach Jacobi auf diesem Gebiet
arbeitete und der der einzige war, der Weierstraß bis zu seinem Staatsexamen je unterrichtet
hat. (Er benötigte ein halbes Jahr für das Studium.)
Von 1842 bis 1855 war er als Lehrer in Deutsch-Krone und in Braunsberg tätig. In dieser
Zeit fehlte ihm vor allem eine mathematische Bibliothek und ein Ansprechpartner, doch er
arbeitete ständig an den selbstgestellten Problemen.
1854 erschien seine Arbeit über Abelsche Funktionen im Crelle Journal, in welcher er
die Lösung des Jacobischen Umkehrproblems bekanntgab, woraufhin
ihm der Ehrendoktortitel durch die Universität Königsberg verliehen wurde.
Diese Leistung wurde von der gesamten mathematischen Gemeinschaft bewundert, da
ein Gymnasiallehrer, der über die Jahre hinweg allein gearbeitet hat, in einem der
neuesten Gebiete der Analysis ein dermaßen wunderbares Ergebnis erzielt hatte.
1856 wurde auf Betreiben von A. Humboldt und L. Crelle an das Gewerbeinstitut der
Universität Berlin geholt und 1857 wurde er außerordentlicher und 1864 ordentlicher
Professor an der Universität Berlin, wo er bis zu seinem Tode auch blieb und wo er
von 1873 bis 1874 auch Rektor war.
Allesamt unverheiratet, lebte er in Berlin mit seinen beiden Schwerstern zusammen.
Die meisten seiner Forschungsergebnisse veröffentlichte er nicht, sondern trug
sie in seinen Vorlesungen vor, was bewirkte, daß immer mehr Studierende seine
Lehrveranstaltungen besuchten, da hier Dinge vorgetragen wurden, die sie nirgendwo
anders hören konnten. Die Hörerschaft betrug zuweilen 200 Studenten. (Im Vergleich dazu:
Die meisten mathematischen Vorlesungen an anderen Universitäten hatten weniger als 10
Hörer.) Leider mußte er seine Vorlesungstätigkeit immer wieder unterbrechen, da er zum
Teil große gesundheitliche Probleme hatte, die ihn oft zu langer Abstinenz von geistigen
Tätigkeiten zwangen.
Karl Weierstraß erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem die Helmholtz-
Medaille der Berliner Akademie und die Copley-Medaille der Royal Society.
Weierstraß konstruierte erstmals mit Hilfe von endlichen Summen und Reihen
aus den natürlichen Zahlen die rationalen und danach die reellen.
Durch seine Überlegungen wurde er zum Begründer der Grundlagen
der Analysis und einer exakten Beweisform ihrer Sätze, (so geht z. B. die Delta-Epsilon-
Symbolik auf ihn zurück, die genaue Fassung einer Funktion, ihre Stetigkeit und
Differenzierbarkeit.)
In der Funktionentheorie wandte er sich von der Cauchy-Riemannschen Theorie ab und
stellte das von ihm eingeführte Konzept der Potenzreihen an die Spitze einer
systematischen Theorie der Funktionen in einer komplexen Veränderlichen.
Weitere Arbeitsgebiete waren die Differentialgeometrie (Hauptaugenmerk Minimalflächen) und
die Variationsrechnung, wo er mit der ihn auszeichnenden Strenge und Genauigkeit die
Schwächen der damaligen Methoden offenlegte und ausmerzte.
Zu seinen bekanntesten Schülern zählen Cantor, Mittag-Leffler, H. A. Schwarz, Frobenius,
Fuchs und Klein.
1890 beendete er seine Vorlesungstätigkeit und starb am 19. Februar 1897 in Berlin.